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Die Seehunde der Nordsee


Wir lagen am Elbe-Neuwerk-Fahrwasser nahe Tonne EN3 vor Anker und genossen den strahlenden Sonnenschein. Plötzlich ragten zwei Köpfe aus dem Wasser, die neugierig auf unseren Frühstückstisch schauten: zwei Vertreter der nach dem großen Seehundsterben von 1988 jetzt wieder zahlreicher vorkommenden Robben.

Gern hätten wir sie ja gefüttert, aber Robben stehen nun mal nicht auf Honigbrötchen. Über die Hälfte ihrer täglichen rund 5 kg Nahrung machen Schollen aus. Auch sonst steht Fisch ganz oben auf ihrer Speisekarte. Nur gelegentlich werden ein paar Krabben oder andere Krebstiere mit verspeist. Dass sie knapp 20 Knoten schnell sind, spielt bei der Jagd allerdings keine große Rolle: die meisten Fische werden am Meeresgrund aufgestöbert. Zur Niedrigwasserzeit kann dann auf einer Sandbank verdaut werden.

Seehund im Wasser
Über 15.000 Seehunde leben (inzwischen wieder) im Wattenmeer.

Dort werden von Mitte Juni bis Ende Juli auch die Jungen geboren, die gleich bei der nächsten Flut mit ihrer Mutter schwimmen müssen. Bei dieser Robbenart ist die Säuglingssterblichkeit sehr hoch. Bis zu 60% der Jungtiere schaffen es nicht, die ersten Monate nach der Geburt zu überleben. Zum Teil liegt das daran, dass sie durch Störungen vieler Art nicht in Ruhe gesäugt werden können. So werden gelegentlich stark abgemagerte Jungtiere gefunden. Andere haben von zu vielem Robben aufgeschürfte Körperunterseiten.

Schon nach etwa vier bis fünf Wochen verlässt die Mutter das Jungtier. Es muss nun selbstständig nach Nahrung suchen. Die Mutter paart sich unterdessen im Wasser erneut und nach gut zehn Monaten Tragzeit bringt sie das nächste Junge zur Welt, in seltenen Fällen auch Zwillinge.

Außer hier im Wattenmeer kommt unsere Unterart der Robben fast überall an den Küsten der Nordsee, auf einigen dänischen Inseln und am Südausgang des Kalmarsundes vor. In den letzten Jahren sind Seehunde gelegentlich auch an der deutschen Ostseeküste aufgetaucht - mit etwas Glück können sie diesen Lebensraum zurück erobern, aus dem sie früher durch Bejagung verdrängt wurden.

Das Seehundsterben 1988

Im Sommer 1988 starben knapp zwei Drittel aller Seehunde des deutschen Wattenmeeres an einer Viruskrankheit, der Seehundstaupe. Vermutlich war ihr Immunsystem von vielerlei chemischen Einleitungen ins Meer stark geschwächt. Erst nach etwa fünf Jahren waren die Verluste wieder ausgeglichen.

Seehunde im Wasser

Ein Blick auf die Entwicklung der Seehundzahlen der letzten 30 Jahre zeigt, dass mit Einstellung der Jagd Mitte der 70er Jahre sich die Bestände wieder erholt haben. Bis dahin hatte man sie als Konkurrenten der Fischer meist von Kuttern aus bejagt. Die Tiere hatten dadurch Fluchtdistanzen von bis zu 1000 Metern, die inzwischen aber wieder auf etwa 500 Meter zurückgegangen sind. Zu der jetzt wieder günstigeren Entwicklung hat nicht zuletzt die Befahrensregelung im Bereich der Nationalparke Wattenmeer beigetragen, die vor allem in der wichtigen Zeit der Jungenaufzucht auf den meisten Seehundliegeplätzen für Ruhe sorgt.

 

Heuler - die ganz Kleinen

Manchmal findet man am Strand einsame Seehundbabies, die sich laut jammernd bemerkbar machen. Solche Heuler sind meistens nur für kurze Zeit vom Muttertier verlassen, und man sollte sie nicht berühren. Da Seehundmütter ihre Kinder am Geruch erkennen, würde der Heuler sonst von den Eltern nicht wieder angenommen. Man hilft dem Tier also am besten, wenn man sich entfernt, damit die Mutter die Möglichkeit hat, zurück zu kommen. Eine Ausnahme könnte nur sein, wenn ein Heuler an einer Stelle angetroffen wird, wo kein Alttier freiwillig hinkommt, zum Beispiel an einem belebten Badestrand. In diesem Fall kann man die Seehundstation Friedrichskoog verständigen (Tel.: 04854-1372). Aber auch hier gilt: lieber nicht anfassen!

 


Nach dem massiven Einbruch der Zahlen durch die Seehundstaupe 1988 haben sich die Bestände im Europäischen Wattenmeer (Niederlande, Deutschland und Dänemark) inzwischen wieder gut erholt.

 

Internet-Hinweis:Die Seehundstation Friedrichskoog kann man auch im Web besuchen.

Anmerkung (2003-01-29): Auch im Sommer 2002 gab es durch den Staupevirus ein Seehund-Sterben im Nordseewatt, dass aber weniger stark ausfiel als 1988.

 

Aus: segeln 1/2000 (Januar 2000)

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© Leuchtturm-Atlas, Letzte Änderung: 2003-01-29